| weitere vulnerable Gruppen Pressemitteilung zum Europäischen Tag gegen Menschenhandel: Schutzbedürftige werden trotz drohender Gefahren in Erstzufluchtsländer rücküberstellt
Pressemitteilung des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel e.V. vom 17.10.2019:
"Europäischer Tag gegen Menschenhandel - Schutzbedürftige werden trotz drohender Gefahren in Erstzufluchtsländer rücküberstellt
Berlin: Anlässlich des zwölften Europäischen Tages gegen Menschenhandel macht der KOK auf die schwierige Lage der Betroffenen von Menschenhandel im Asylverfahren und die zunehmend restriktive Entscheidungspraxis des BAMF im Dublin-Verfahren aufmerksam.
Betroffene von Menschenhandel zählen nach der EU-Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) zu besonders schutzbedürftigen Personen. Betroffene von Menschenhandel, die in Deutschland Schutz suchen, wurden nicht selten bereits zuvor in einem anderen Mitgliedsstaat ausgebeutet. Schutz der Opfer muss in diesen Fällen Vorrang vor Rückführung haben. So ist zu prüfen, ob in dem zuständigen Mitgliedstaat effektiver Schutz für Betroffene von Menschenhandel besteht, um eine Reviktimisierung, also Gefahr erneut Opfer von Menschenhandel zu werden, zu vermeiden. Einige EU-Staaten verfügen aber nur eingeschränkt über adäquate Unterkünfte, medizinische Verpflegungen oder Unterstützungsleistungen für besonders Schutzbedürftige, wie zuletzt die Schweizerische Flüchtlingshilfe am Beispiel Italien aufzeigte. Der zum heutigen Tag veröffentlichte KOK Informationsdienst beleuchtet diese Thematik eingehend.
Deutschland hat bis vor zwei Jahren oft von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht und die Asylanträge der von Menschenhandel Betroffenen Personen selbst geprüft. Seit Anfang 2018 ist aber ein Wandel der behördlichen Praxis deutlich erkennbar: So wird ein signifikanter Rückgang in der Ausübung des Selbsteintrittsrechts um weit mehr als zwei Drittel aller Fälle verzeichnet (BT-Drucksache 19/12800). Mitarbeiter*innen der Fachberatungsstellen befürchten, dass Betroffene bei Rücküberstellung erneut in die Fänge der Menschenhändler geraten und wiederholt zur Prostitution gezwungen werden oder in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gelangen. „Trotz massiver Verschlechterungen bei der Unterbringung und hoher Gefahr von Obdachlosigkeit infolge der Dublin-Rücküberstellungen nach Italien, nimmt Deutschland sein Selbsteintrittsrecht für Betroffene von Menschenhandel kaum wahr.“ so Claudia Robbe, KOK-Vorstandsfrau und Mitarbeiterin der Fachberatungsstelle FIZ in Stuttgart.
Der KOK setzt sich ein für einen an den Menschenrechten orientierten Umgang mit Schutzsuchenden. Die in der EU-Aufnahmerichtlinie verbrieften Rechte der Betroffenen von Menschenhandel müssen tatsächlich gewährleistet werden. Die restriktive Entscheidungspraxis des BAMF und der Verwaltungsgerichte lässt sich damit nicht vereinbaren."
Mehr Informationen finden Sie hier.
Den neuen KOK Informationsdienst zum Thema "Der Ausbeutung entkommen - Schutz in Deutschland?" finden Sie hier.