| Meldungen aus den Initiativen Offener Brief der GGUA: Keine ZAB in Münster

Anbei finden Sie einen Offenen Brief der GGUA an die Mitglieder des Rats der Stadt Münster bzgl. der geplanten Einrichtung einer Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) in Münster:

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Münster,
 
am kommenden Mittwoch werden Sie über die Einrichtung einer Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) als Teil der münsterschen Stadtverwaltung entscheiden. Diese würde vor allem für die Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen sowie sonstigen Rückführungen für den gesamten Regierungsbezirk Münster zuständig sein. Wir wissen, dass Sie sich die Entscheidung für oder gegen die Einrichtung einer solchen Behörde in Münster nicht leicht machen, sondern das Für und Wider sorgsam abwägen. Dennoch sprechen für uns sehr viel mehr und vor allem gewichtigere Gründe gegen die Einrichtung einer ZAB in Münster als dafür. Wir bitten Sie daher nachdrücklich, am kommenden Mittwoch gegen die Einrichtung einer ZAB zu stimmen und möchten Ihnen im folgenden unsere Argumente noch einmal darlegen.
 

  1. Mit einer ZAB würde die bisherige, auf Teilhabe und Menschlichkeit setzende Flüchtlingspolitik in Münster aufgekündigt.  Die bisherige Flüchtlingspolitik war davon geprägt, Entscheidungen möglichst im Konsens zu treffen und dabei Integration und Teilhabe stets unabhängig vom rechtlichen Aufenthaltsstatus zu ermöglichen. Die Grundhaltung war dabei immer, humanitäre Spielräume zugunsten der betroffenen Menschen zu nutzen und – auch im Einzelfall – der Politik der Abschottung und Ausgrenzung eine Politik der Weltoffenheit und Liberalität entgegen zu setzen. Eine ZAB hätte für diese Grundhaltung jedoch keinen Spielraum. Denn in einer solchen Behörde müssten kommunale Mitarbeitende ausschließlich die Abschiebung oder sonstige Ausreise „vollstrecken“, ohne sich mit dem Einzelfall befassen zu können.

  2. Eine ZAB würde die bisherigen Ratsbeschlüsse konterkarieren. Der Rat der Stadt Münster hat sich in mehreren Resolutionen gegen die Abschiebung nach Afghanistan oder von Minderheitenangehörigen in den Kosovo ausgesprochen – und dafür völlig zu Recht bundesweite Anerkennung erfahren. Eine ZAB hätte jedoch vor allem die Aufgabe, genau diese Abschiebungen vorzubereiten und zu „vollstrecken“. Die Folge wäre: Kommunale Angestellte der Stadt Münster in der ZAB müssten etwa auch Abschiebungen nach Afghanistan durchsetzen, die sowohl vom Stadtrat als auch von kommunalen Ausländerbehörde aus guten Gründen abgelehnt werden. Ein solcher Interessenkonflikt wird auch innerhalb der Verwaltung zu erheblichen Konflikten führen.

  3. Eine ZAB würde dazu beitragen, menschenrechtliche Standards zu  unterlaufen. Ein häufig genutztes Argument der Befürworter*innen einer ZAB ist: „Dort wird doch nur durchgesetzt, was zuvor in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden worden ist.“ Hierzu geben bereits die Statistiken erheblichen Anlass zu zweifeln: Die Qualität der Entscheidungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist gegenwärtig nach Überzeugung aller Expert*innen derartig schlecht, dass fast die Hälfte dieser Entscheidungen (44 Prozent) durch die Verwaltungsgerichte korrigiert werden. Viele Flüchtlinge, die in den Landeseinrichtungen leben, haben keinen Kontakt zu qualifizierten Anwält*innen, und gerade die Minderheiten aus den Balkanstaaten scheitern in den schriftlichen Eilverfahren. Kein Richter hat diese Flüchtlinge gesprochen und gesehen, wenn sie dann abgeschoben werden sollen. In den BAMF-Entscheidungen werden regelmäßig nicht nur die asylrelevanten Gründe nicht ausreichend gewürdigt, sondern auch die sich aus der UNKinderrechtskonvention ergebenden Kinderrechte nahezu vollständig ignoriert. Diese oftmals fragwürdigen BAMF-Entscheidungen müssen dann jedoch von einer ZAB – ohne persönlichen Kontakt zu den im Einzelfall betroffenen Menschen – vollzogen werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Eine kommunale Ausländerbehörde muss schauen, ob humanitäre Lösungen geboten sind, ob noch etwas geht. Eine ZAB muss hingegen schauen, was nicht geht. Dies ist nicht das, wofür wir in Münster stehen!


Münster bietet eine Infrastruktur, die Flüchtlingen bei medizinischen, sozialen, psychischen und rechtlichen Problemstellungen Unterstützung bieten kann. Dies zu nutzen entspricht dem Oberzentrumsgedanken dieser Stadt. Die meisten Landeseinrichtungen für Flüchtlinge liegen dagegen weit entfernt von derartigen Hilfestrukturen. Münster als Oberzentrum wird sich einer Landeseinrichtung für Flüchtlinge nicht verweigern können – das sehen auch wir so. Aber diese Landeseinrichtung sollte dann nicht ausgerechnet eine Behörde sein, die keine andere Aufgabe hat, als Abschiebungen umzusetzen. Wünschenswerterweise sollte die Stadt sich energisch dafür einsetzen, dass an Stelle einer ZAB eine Landeseinrichtung mit Flüchtlingen nach Münster kommt bzw. in Münster bleibt.
 
Dabei vertreten wir selbstverständlich nicht die Auffassung, eine ZAB zwar nicht in Münster, aber dafür in einer anderen Kommune einzurichten. Vielmehr lehnen wir die derzeitige Konzeption der Zentralen Ausländerbehörden auf Landesebene grundsätzlich ab. Aber was man grundsätzlich ablehnt, kann man doch nicht in seiner Kommune einrichten wollen – auch nicht als Ergebnis eines mit dem Begriff „Erpressung“ zu bezeichnenden Deals mit Land und BIMA.
 
Die Zentralen Ausländerbehörden sind Teil des so genannten „Integrierten Rückkehrmanagements“, das ohne Ansehen des jeweiligen Einzelfalls nur noch die Abschiebung und Ausreise in den Mittelpunkt des Handelns setzt. Was vielmehr erforderlich wäre, ist ein Konzept des „Integrierten Bleibemanagements“ – so wie es die Stadt Münster im Rahmen des Projekts „Einwanderung gestalten NRW“ selbst auch praktiziert. 
 
Eine ZAB in Münster hätte auch als negatives Symbol weitreichende Bedeutung: Münster wäre in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr die Stadt, „die Bleiberecht für Roma“ fordert (WDR-Bericht „Einsamer Kampf gegen Abschiebungen“ aus dem Jahr 2009), sondern die Stadt, die Abschiebungen für den gesamten Regierungsbezirk organisiert. Das können wir nicht wollen! 
 
Daher bitten wir Sie herzlich, im Rat am 31. Januar gegen die Einrichtung einer Zentralen Ausländerbehörde zu stimmen.
 
 
Mit freundlichen Grüßen   
Hery Klas, Marita Otte (Für den Aufsichtsrat)
Dr. Brigitte Derendorf, Volker Maria Hügel (Für den Vorstand)


Den Offenen Brief als PDF-Datei finden Sie hier.

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