| Der FRNRW in den Medien Das Hilfenetz für psychisch kranke Flüchtlinge ist löchrig
Zeitungsartikel der NRZ vom 28. Juli 2016:
Wer aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland kommt, hat oft ein Trauma erlitten. Durch Gewalt, den Verlust von Angehörigen, den Stress auf der Flucht. Experten warnen, dass es viel zu wenig Hilfsangebote die Betroffenen gibt.
Würzburg, München, der Selbstmordanschlag des psychisch kranken jungen Syrers in Ansbach: Die Horror-Nachrichten der vergangenen Tage haben zu einer spürbaren Verunsicherung in der Bevölkerung geführt. Das merken auch die Therapeuten, die im Psychosozialen Zentrum (PSZ) in Düsseldorf arbeiten. „Unsere Klienten sind sehr beunruhigt wegen der vielen Gewalt“, sagt Annette Windgasse. Das PSZ ist eine Beratungs- und Therapieeinrichtung für traumatisierte Flüchtlinge. 525 Menschen sind dort im vergangenen Jahr behandelt worden. Ein Bruchteil derer, die Hilfe brauchen. Für Geflüchtete gibt es in Deutschland noch immer viel zu wenige psychotherapeutische Hilfsangebote, warnen Fachleute.
Allein Nordrhein-Westfalen hat in diesem und im vergangenen Jahr bislang etwa 300 000 Flüchtlinge aufgenommen, die allermeisten von ihnen aus Kriegsgebieten wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Experten schätzen, dass mindestens die Hälfte von ihnen traumatisiert ist durch Gewalterfahrungen, die Zerstörung der gewohnten Lebenswirklichkeit, den Verlust von Angehörigen und die Flucht.
Nur „ein geringer Teil erhälteine angemessene Behandlung“
Folgen von Traumatisierungen können Persönlichkeitsänderungen, Depressionen, Suchterkrankungen, Angststörungen, wahnhafte und psychotische Störungen sein. Aber nur „ein geringer Teil der Flüchtlinge, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, erhält aktuell eine angemessene Behandlung“, so die Bundes-Psychotherapeuten-Kammer (BPtK) in einer Studie zum Thema. Eine „EU-Aufnahmerichtlinie“, wonach Flüchtlingen mit psychischen Erkrankungen „die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“ gewährt werden muss, hätte eigentlich bis Mitte vergangenen Jahres vom Bundestag in nationales Recht umgesetzt werden müssen – das ist bis heute nicht geschehen.
„Schon für Deutsche ist die psychotherapeutische Versorgung nicht ausreichend, umso mehr gilt das für Geflüchtete“, so Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW. Wartezeiten für eine Behandlung von eineinhalb Jahren etwa in den spezialisierten psychosozialen Zentren seien die Regel. In der Praxis erschweren unterschiedliche Zuständigkeiten, unklare Finanzierungen und ein Mangel an Therapeuten und Sprachmittlern die Hilfe. In Erstaufnahmeeinrichtungen werden Flüchtlinge zwar medizinisch untersucht, dieser Eingangs-Check sei aber nur die „absolute Notfallversorgung“, so Naujoks.