| In eigener Sache Forderungspapier zur Beschulung von Kindern und Jugendlichen in den Landesaufnahmeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen
Probleme beim Bildungszugang in NRW:
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Landesaufnahmeeinrichtungen in NRW ist eigentlich für einen kurzen Zeitraum direkt nach der Ankunft der Asylsuchenden vorgesehen. In diesen Aufnahmeeinrichtungen des Landes greift – nach geltender Gesetzeslage – keine Schulpflicht. Ein Anspruch auf regulären Schulbesuch besteht in Nordrhein-Westfalen erst nach Zuweisung zu einer Kommune. Da die Dauer der Unterbringung in den Landesaufnahmeeinrichtungen aber immer länger wird, werden die Asylsuchenden auch für eine immer größere Zeitspanne vom Schulbesuch ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen zwei Jahren konkrete Maßnahmen ergriffen, um Flüchtlinge längerfristig in Landesaufnahmeeinrichtungen unterzubringen: Seit dem 24. Oktober 2015 gilt das so genannte „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“, mit dem die mögliche Aufenthaltsdauer in Einrichtungen des Landes für alle Asylsuchenden auf bis zu sechs Monate ausgedehnt wurde. In der Praxis wird diese Zeitspanne immer häufiger auch ausgeschöpft. Ferner ermöglicht das am 29. Juli 2017 in Kraft getretene „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ den Bundesländern weitere Gruppen, nämlich Asylsuchende, deren Anträge als „unzulässig“ oder als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurden, für bis zu 24 Monate in Landesaufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Ab sofort können die Bundesländer also eigenständig über die Dauer der Unterbringung in ihren Landesaufnahmeeinrichtungen entscheiden. Alle Betroffenen wären damit über einen langen Zeitraum von einem regulären Schulbesuch ausgeschlossen.
Es ist nicht akzeptabel, dass die Bildungsbiographien geflüchteter Kinder und Jugendlicher in NRW langfristig unterbrochen werden oder gar nicht erst beginnen können! Rechtliche und tatsächliche Maßnahmen müssen unmittelbar ergriffen werden um diesen Missstand zu beheben. Geschieht dies nicht, droht eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen über mehrere Monate, teilweise dauerhaft, nicht beschult zu werden.
Rechtliche Grundlagen zur Beschulung:
Artikel 28 UN-Kinderrechtskonvention (KRK): Jedes Kind hat das Recht auf Schule.
Art. 14 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU: Die Wartezeit auf den Zugang zum Bildungssystem beträgt maximal drei Monate.
Art. 14 Abs. 1 und 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Jede Person hat das Recht auf Bildung, sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung. Dieses Recht umfasst die Möglichkeit, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.
Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK: Das Recht auf Bildung ist ohne Diskriminierung aufgrund der Herkunft zu gewährleiten (Art. 14 EMRK).
Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalens § 34 Abs. 6: „Die Schulpflicht besteht für Kinder von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und alleinstehende Kinder und Jugendliche, die einen Asylantrag gestellt haben, sobald sie einer Gemeinde zugewiesen sind und solange ihr Aufenthalt gestattet ist. Für ausreisepflichtige ausländische Kinder und Jugendliche besteht die Schulpflicht bis zur Erfüllung ihrer Ausreisepflicht“.
Unsere Forderungen
Von der Landesregierung fordert der Flüchtlingsrat NRW e.V. gemeinsam mit folgenden 11 Organisationen und Initiativen:
- Arbeitsgemeinschaft Offene Türen NRW e.V.
- Aktionsgemeinschaft Junge Flüchtlinge in NRW
- Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V.
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband NRW
- Jugendliche ohne Grenzen
- Jugendrotkreuz Landesverband Nordrhein
- Katholische Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW e.V.
- Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit NRW
- Landesintegrationsrat NRW
- Landesjugendring NRW
- Paritätisches Jugendwerk NRW
- In NRW gilt die Schulpflicht nach momentaner Gesetzeslage für asylsuchende Kinder und Jugendliche erst nach der Zuweisung zu einer Kommune. Durch eine Gesetzesänderung ist sicherzustellen, dass die Schulpflicht und deren Erfüllung bereits im Zeitraum der Landesaufnahme zum Tragen kommen. Mit der Gesetzesanpassung muss die Schulpflicht ab Aufnahme in der Landesaufnahmeeinrichtung eingeführt werden.
- Bis ein Schulplatz gefunden wird, muss eine vorübergehende Beschulung durch qualifiziertes Lehrpersonal in den Landesaufnahmeeinrichtungen in NRW sichergestellt werden, die einer Regelbeschulung entspricht. Für diesen Unterricht muss ausreichend Lehrpersonal vorgehalten werden. Es muss gewährleistet werden, dass alle Flüchtlingskinder eine angemessene Beschulung erhalten. Vorrangig bleibt jedoch, dass der reguläre Schulbesuch möglichst zeitnah in einer nahegelegenen Schule ermöglicht wird.
- Bei der kommunalen Zuweisung muss beachtet werden, wo die Kinder und Jugendlichen noch während der Unterbringungen in den Landesaufnahmeeinrichtungen zur Schule gehen, und dann muss zeitnah eine Zuweisung in ebendiese Kommunen vorgenommen werden.
- Die Frage der Beschulung in den Landesaufnahmeeinrichtungen entfaltet vor allem dann eine besondere Problematik, wenn sich der Aufenthalt in dieser Unterbringungsform über einen längeren Zeitraum erstreckt. Wir fordern das Land Nordrhein-Westfalen daher auf, soweit dies rechtlich möglich ist, Asylsuchende grundsätzlich zügig kommunal zuzuweisen.
Das Forderungspapier als PDF-Datei finden Sie hier.
Die Antwort der Landesregierung finden Sie hier.