| Seenotrettung Bericht über Kriminalisierung der Seenotrettung 2002-2020
Anbei finden Sie den Bericht ''RETTUNG UNERWÜNSCHT - Italiens Versuche, die Seenotrettung Geflüchteter zu kriminalisieren'' von borderline-europe e.V. (Stand: September 2021), welcher einen Überblick über verschiedene Methoden der Repression und Kriminalisierung der Seenotrettung in den letzten 20 Jahren gibt.
Aus der Einleitung:
„Die italienischen Behörden instrumentalisieren inzwischen systematisch legitime maritime Verfahren. Inspektionen an Bord humanitärer Schiffe sind zu einer Möglichkeit geworden, Such- und Rettungsaktionen zu stoppen. Jedes Mal, wenn eines dieser Schiffe einen italienischen Hafen anläuft, wird es einer langen und akribischen Inspektion unterzogen, bis Unregelmäßigkeiten entdeckt werden. Die gestrige Inspektion dauerte 11 Stunden, bis genügend Verstöße festgestellt wurden, um das Schiff daran zu hindern, den Hafen zu verlassen und auf See zurückzukehren. Man wirft uns vor, ‚systematisch‘ Menschen zu retten, bis hin zur Anfechtung der übermäßigen Anzahl von Rettungswesten an Bord. Während die Pflicht eines jeden Schiffes, Schiffen in Seenot zu helfen, völlig ignoriert wird. Die italienischen Behörden versuchen, die humanitären Organisationen – die nur versuchen, Leben auf See zu retten, wie es das internationale Seerecht verlangt – zu stoppen, während sie ihre eigenen Rettungsverpflichtungen missachten, mit der Zustimmung, wenn nicht gar der vollen Unterstützung, der europäischen Staaten".
Marco Bertotto, verantwortlich für humanitäre Angelegenheiten von MSF
Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Sea-Watch hat von 2015 bis 2019 nach eigenen Angaben 32.000 Menschenleben im Zentralen Mittelmeer gerettet, Sea-Eye 4 14.000 Menschen. Diese wären ohne die Einsätze der zivilen Retter*innen höchstwahrscheinlich ertrunken. Die zivile Seenotrettung gibt es seit 2014. Vorausgegangen waren zwei Unglücke im Oktober 2013, die mehr als 600 Menschen das Leben kosteten. Das erste ereignete sich nur wenige Meter vor Lampedusa, bei dem zweiten Unglück warteten die meist syrischen Geflüchteten über Stunden auf eine Rettung, die aufgrund eines Kompetenzgerangels zwischen Italien und Malta nicht erfolgte. Die ganze Zeit befand sich ein Kriegsschiff der italienischen Marine in der Nähe, griff aber erst ein, als das Boot schon untergegangen war. Nach diesen Ereignissen rief der italienische Staat die Operation Mare Nostrum ins Leben, die jedoch nach nur einem Jahr am 31. Oktober 2014 auslief. Ein Jahr, in dem es der italienische Staat – wenn auch mit einer militärischen Operation – als seine Aufgabe ansah, Geflüchtete aus Seenot zu retten. Schauen wir die Geschichte der Seenotrettung vom Jahr 2002 bis heute an, so werden viele Widersprüche deutlich: von der Verhaftung privater Retter*innen und Fischer über eine Rettungsmission der Regierung, von der Gründung vieler verschiedener ziviler Seenotrettungsorganisationen und einem 24-Stunden aktiven Seenotrettungstelefon (Alarm Phone) zu geschlossenen und nicht ‚sicheren Häfen’ in Italien und Malta. Es wird oft behauptet, private oder staatlich organisierte Seenotrettung stelle einen ‚Pull-Faktor‘ für die Bewegungen der Migration dar. Dieser sog. ‚Anziehungs-Faktor‘ konnte jedoch nie belegt werden, die Zahlen sprechen für sich. Es fahren nicht mehr Menschen ab, weil sich auf dem Meer Seenotrettungsschiffe bewegen.