| LSBTIQ Bundesregierung erkennt keine systematische Verfolgung von LSBTIQ in Marokko
In einer kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE antwortet die Bundesregierung, keine systematische Verfolgung von LSBTI* in Marokko zu erkennen. Und obwohl homosexuelle Handlungen in dem maghrebinischen Staat unter Strafe stehen, bedeute das aus Sicht der Regierung nicht, dass auch eine "Verfolgungshandlung" vorhanden sei.
Nach Art. 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches steht in Marokko das Ausle-
ben von Homosexualität unter Strafe. In der Antwort der Bundesregierung heißt es dennoch:
"Die Rechtsvorschriften werden in Marokko in der Praxis weniger gegen Einzelpersonen, als vielmehr zur Verhinderung der Gründung von Organisationen herangezogen, die sich für die Rechte dieses Personenkreises einsetzen wollen. Das Thema wird immer noch gesellschaftlich tabuisiert, eine systematische Verfolgung homosexueller Personen findet jedoch nach Erkenntnissen der Bundesregierung nicht statt."
Die Bundesregierung gibt an, Homosexualität würde hingenommen werden, sofern diese im Verborgenen ausgelebt würde. Dabei steht diese Aussage im Widerspruch mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 07.11.2013, das besagt:
"Bei der Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, können die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden."
In der Anfrage wird auch die Situation von LSBTIQ in Algerien, Tunesien und Ägypten angeschnitten. In Tunesien droht Betroffenen bis zu drei Jahren Haft, in Lybien können LSBTIQ wegen "unislamischer Unzucht" bis zu fünf Jahre Haft bekommen, auch in Algerien werden regelmäßig Menschen aufgrund ihrer Homosexualität verurteilt, in Ägypten steht Homosexualität zwar nicht explizit unter Strafe, diese wird jedoch unter dem Aspekt "Unzucht" mit Geld- oder Haftstrafen bestraft, es gibt Berichte über regelmäßige Misshandlungen von LSBTIQ in Ägypten.
In den letzten Wochen schlugen LGBTIQ-Aktivisten immer wieder Alarm, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mehrfach und willkürlich Homosexuelle in Verfolgerstaaten zurückschicken wolle. So berichtete das "Queer Refugees Network Leipzig" Mitte Januar, dass die Behörden keinen der von ihnen betreuten LGBTIQ-Flüchtlinge aus Tunesien anerkannt habe. Immer wieder galt das Argument, dass Betroffene ihre Homosexualität in der Heimat verheimlichten könnten, da Offenheit bei der eigenen sexuellen Orientierung nach Ansicht der Beamten "nicht wichtig und identitätsprägend" sei. Nach Protesten zog das BAMF die Entscheidung bei einem Tunesier schließlich wieder zurück. [Zum Bericht auf queer.de]
Die Bundesregierung berät seit langem darüber, ob Marokko, Tunesien und Algerien als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden. Dies würde ihr die Ablehnung von Asylgesuchen aus diesen Ländern erleichtern.
[Kleine Anfrage als PDF online lesen]