| Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina Gericht spricht Roma aus Serbien Schutz zu
Urteil des VG Stuttgart vom 25. März 2014 (Az.: A 11 K 5036/13) und Schreiben von Pro Asyl vom 28. April 2014: Pauschale Einstufung von Westbalkanstaaten als „sichere Herkunftsländer“ nicht zu rechtfertigen.
Während die Große Koalition ein Gesetz vorbereitet, das Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ von Asylsuchenden erklärt und Asylanträge aus diesen Ländern pauschal abwehren soll, hat ein Stuttgarter Gericht zwei Angehörige der Roma-Minderheit in Serbien als Flüchtlinge anerkannt.
Die Asylanträge der beiden serbischen Staatsbürger waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Dezember 2013 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden. Dagegen hatten die beiden Angehörigen der Roma-Minderheit geklagt – erfolgreich: Ende März 2014 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Entscheidung des Bundesamts gekippt und den beiden Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach §60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz zugesprochen. PRO ASYL begrüßt die umfassende menschenrechtliche Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Situation von Roma in Serbien. „Wir hoffen, dass sich viele Gerichte diesem positiven Beispiel anschließen werden“, sagte Marei Pelzer, Rechtspolitische Referentin von PRO ASYL.
In seiner Begründung macht das Gericht deutlich, dass Roma dort extrem benachteiligt werden und gezwungen sind, am Rand der Gesellschaft zu leben. Dabei stützt es sich sowohl auf Berichte des Auswärtigen Amtes als auch auf ein Gutachten von Dr. Karin Waringo. Die Expertin der Roma-Organisation Chachipe hatte für den PRO-ASYL-Bericht „Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?“ Quellen zur Menschenrechtssituation in Serbien ausgewertet. Sie wurde vom Verwaltungsgericht auch als sachverständige Zeugin angehört.
Ausdrücklich folgt das Gericht Waringos Einschätzung, dass der serbische Staat Roma keinen hinreichenden Schutz gegen die häufiger werdenden Übergriffe von Dritten gewährt. Als ausschlaggebend bezeichnet das Gericht die Beschränkung von Freizügigkeit und Menschenrechten der Roma in Serbien. Denn das serbische Recht stelle die Ausreise mit der Absicht, Asyl zu beantragen, unter bestimmten Umständen unter Strafe. Dies verletzt nach Auffassung des Gerichts die die Europäische Menschenrechtskonvention wie auch die in der serbischen Verfassung gewährte Ausreisefreiheit. Daher liege eine Verfolgungshandlung vor. Da entsprechende staatliche Kontrollmaßnahmen selektiv auf die Minderheit der Roma zielten, knüpfe die Verfolgung auch an ein asylrelevantes Merkmal an.
Die Gerichtsentscheidung macht deutlich, was PRO ASYL in der Stellungnahmen zum aktuellen Gesetzgebungsverfahren hervorgehoben hat: Es bedarf einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Einzelfall und mit der systematischen rassistisch motivierten Diskriminierung der Roma, um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Die pauschale Einstufung der ex-jugoslawischen Staaten als "sichere Herkunftsländer" wie es der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, ist nicht zu rechtfertigen.