| Lokalberichte Herne
Lokalbericht Herne von Vera Stallmann
(Stand 07.05.2015)
Flüchtlingszahlen und Unterbringung
Im Frühjahr 2015 hat sich die Situation in Herne weder für die Kommune noch für die Flüchtlinge entspannt. Im Gegenteil: Die städtischen Unterkünfte sind überbelegt. Deshalb wirbt die Stadt um Vermieterinnen und Vermieter, die bereit sind, Wohnungen an Flüchtlinge zu vermieten. Dabei wird mit dem Vorteil pünktlicher und zuverlässiger Mietzahlungen argumentiert. „Wir werden die Objekte in einem guten Zustand zurückgeben", verspricht der Sozialdezernent.
Derzeit leben knapp 460 Asylbewerberinnen und -bewerber in drei städtischen Unterkünften sowie in angemieteten Häusern. Hinzu kommen rund 350 weitere Flüchtlinge, die in private Wohnungen umgezogen sind.
Die Bezirksregierung Arnsberg hat nun mitgeteilt, dass der Stadt Herne kurzfristig keine Flüchtlinge mehr zugewiesen werden.
Schulbesuch
Flüchtlingsfamilien mit schulpflichtigen Kindern werden im Kommunalen Integrationszentrum informiert und beraten. Derzeit gibt es in Herne 24 Vorbereitungsklassen. Das sind Klassen für Kinder und Jugendliche, die noch über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen. Sie besuchen die Vorbereitungsklasse für einen Zeitraum von maximal 2 Jahren und sollen während dieser Zeit vor allem die deutsche Sprache erlernen. Zur Zeit besuchen rund 280 Schülerinnen und Schüler die Vorbereitungsklassen an Grundschulen (124 Kinder), Hauptschulen (63), Realschulen (30), Gesamtschulen (17) und am Gymnasium (28). Auch an den Berufskollegs gibt es zwei Vorbereitungsklassen.
Die Herner Lehrerinnen und Lehrer wünschen sich dringend mehr psychologische Betreuung für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Die Lehrkräfte fühlen sich weder fachlich noch zeitlich in der Lage, die oftmals traumatisierten Kinder und Jugendlichen situationsangemessen zu betreuen und fordern den Einsatz von Fachpersonal.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Aufgrund der Bundestagsdebatte im März 2015 zur geplanten bundesweiten Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) ist die Situation dieser Flüchtlingsgruppe ins Blickfeld des Herner Flüchtlingsrates gerückt. Bisher gibt es in Herne nur wenige Jugendliche, die allein eingereist sind. Diese werden bei Verwandten oder in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht. Das Jugendamt entwickelt zur Zeit ein Aufnahmekonzept für UMF.
Erstaufnahmeeinrichtung
Der Herner Flüchtlingsrat setzt sich seit seinem Bestehen sehr für die Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Herne durch das Land NRW ein. Er schlägt dafür das Gelände und die Gebäude des ehemaligen Siemens-Werkes im Herner Norden vor. Für eine Notunterkunft, wie sie von der Stadt zunächst angedacht wurde, ist das Gebäude aufgrund seiner Größe ungeeignet. Die Integration von Asylbewerberinnen und -bewerbern würde dadurch nur erschwert. Anhand eines umfassenden Konzeptes könnte dort jedoch ein Erstaufnahme-Projekt entwickelt werden, das den Bedürfnissen von Flüchtlingen gerecht wird und gleichzeitig auf gesellschaftliche Akzeptanz stößt. Ein wesentlicher Baustein der Erstaufnahmeeinrichtung sollte die Beratung der neu ankommenden Flüchtlinge und deren Aufklärung über das das deutsche Asylsystem darstellen. Verbände, Kirchen, Vereine, Parteien könnten zudem ein Papier erarbeiten, das Standards für die Unterbringung, Freizeitangebote u.a. festlegen und als Modell für eine menschenwürdige Flüchtlingsaufnahme fungieren könnte.
Leider vetritt die Sozialverwaltung die Meinung, dass die Einrichtung einer Erstaufnahmestelle im ehemaligen Siemenswerk nicht möglich sei. Sie argumentiert, dass die Kapazitäten und die Mietkonditionen nicht den Vorgaben des Landes entsprechen würden. Jetzt haben die Ratsfraktionen von LINKS-Partei und GRÜNEN den Vorschlag des Flüchtlingsrates aufgegriffen und der Integrationsrat wird sich bei der nächsten Sitzung damit beschäftigen.
Beteiligung des Herner Oberbürgermeisters an einem offenen Brief an Hannelore Kraft
Der Herner Oberbürgermeister Horst Schiereck (SPD) hat gemeinsam mit 14 anderen Bürgermeistern und Landräten des Ruhrgebiets ein Schreiben an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verfasst. Für nähere Informationen dazu bitte die Stellungnahme des Flüchtlingsrates NRW e.V. lesen.
Sehr kurz gefasst: Die Politikerinnen und Politiker kritisieren einen Erlass, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörden dazu auffordert, bei besonders schutzbedürftigen Personen aus den Balkanländern eine sorgfältige Einzelfallprüfung vorzunehmen, um unzumutbare Härten zu vermeiden. Damit soll ein kleines Stück humanitäre Praxis beim Umgang mit Flüchtlingen sichergestellt werden. Die Politikerinnen und Politiker lehnen jedoch ab, dass seitens der Ausländerbehörde bei Asylbewerberinnen und -bewerbern mit einer „Ausreiseverpflichtung" nochmals eine Einzelfallprüfung stattfindet.
Zugleich hat die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, ebenfalls Mitglied der SPD, in Herne ein „Willkommens-Bündnis für Flüchtlinge" ins Leben gerufen. Die Herner LINKE wirft der SPD daher „Beliebigkeit" vor und merkt an, der Bürger dürfe sich hier schon die Frage stellen, wofür die SPD denn nun stehe (WAZ 04.05.2015).
Die Politik macht es sich wirklich nicht leicht und bleibt gespalten. Bei seinem 2. Treffen am 24. April beschließt das Willkommens-Bündnis u.a. die Planung einer Veranstaltung mit dem Titel „Geflohen, geduldet, von Abschiebung bedroht".
Ehrenamtliches Engament
Insgesamt ist die Herner Bevölkerung nach wie vor gelassen und positiv den Flüchtlingen gegenüber gestimmt. Es werden weiterhin erfolgreich Spenden gesammelt: Kleidung, Kinderkleidung und Hausrat. Leider mussten die Menschen, die Flüchtlingskinder in einer Asylunterkunft ehrenamtlich betreuen, den dafür zur Verfügung gestellten Container im Januar räumen. Auch in diesem Container werden nun Flüchtlinge untergebracht. Bis heute hat die Verwaltung nicht für einen passenden Ersatz gesorgt. Das schränkt die Arbeit der Ehrenamtler natürlich stark ein.
Anders als vom Flüchtlingsrat erwartet, hat kein freier Träger die Koordination und Begleitung ehrenamtlichen Engagements übernommen, sondern eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung. Eine extra eingesetzte, kompetente Fachkraft für die Begleitung und ggf. Qualifizierung der ehrenamtlichen Helfer ist aktuell nicht zu erwarten.
Vera Stallmann
Herne, am 07.05.2015