| Aktuell Kein »business as usual« bei Abschiebungen während einer Pandemie!

PRO ASYL, Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen fordern anlässlich der Innenministerkonferenz ein bundesweites Abschiebungsmoratorium während der COVID-19-Pandemie – Abschiebungen sind in einer solchen Zeit nicht zu verantworten! In vielen Zielstaaten ändert sich die Lage aufgrund der Pandemie drastisch. Dublin-Abschiebungen dürfen auch weiterhin nicht durchgeführt werden.

Zur Notwendigkeit der Verlängerung des Abschiebungsstopps nach Syrien haben die Organisationen bereits am Freitag eine Presseerklärung veröffentlicht.

Keine Dublin-Abschiebungen!

Mit der Aufhebung der Reisewarnung für EU-Staaten ab dem 15. Juni ist davon auszugehen, dass auch innereuropäische Abschiebungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung wieder vollzogen werden sollen. Aber als deutscher Tourist in ein italienisches Hotel einzuchecken ist eben nicht das gleiche, wie als Asylsuchender in die dortigen prekären Verhältnisse geschickt zu werden.

In Italien gab es schon vor Corona gravierende Mängel bei den Aufnahmebedingungen, vielen zurückgeschickten Asylsuchenden droht die Obdachlosigkeit (siehe Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Januar 2020). Es ist zu befürchten, dass die Auswirkungen der in Italien besonders massiven Corona-Krise auf die Aufnahmebedingungen verheerend sind. Rund ein Drittel aller deutschen Dublin-Überstellungen gehen nach Italien. Die Bundesregierung sollte auch weiterhin keine Dublin-Überstellungen durchführen!

Zudem muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asylsuchende, die Corona-bedingt nicht innerhalb der gesetzlichen Frist in andere europäische Länder abgeschoben werden konnten, ins nationale Asylverfahren übernehmen. Ein Hinauszögern der Frist aufgrund der Pandemie, um einen Übergang der Zuständigkeit auf Deutschland zu verhindern, ist europarechtswidrig. Dies hatte PRO ASYL bereits im April dargelegt (siehe News) und wurde nun auch vom VG Schleswig-Holstein in mehreren Verfahren entsprechend geurteilt (siehe beispielsweise hier).

Keine Abschiebungen in Drittstaaten!

Auch ist zu befürchten, dass von der Politik nun eine rasche Rückkehr zu »business as usual« bei Abschiebungen forciert wird, ohne dabei die Situation in den Zielstaaten zu berücksichtigen. Abschiebungen während der Pandemie sind auch Thema bei der Innenministerkonferenz, die vom 17.-19. Juni in Erfurt stattfindet.

PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen verurteilen solche Bestrebungen. Zahlreiche Länder, besonders im globalen Süden, stehen erst am Beginn einer Ausbreitung des Corona-Virus. Im Iran und Nordmazedonien droht laut Berichten je eine zweite und größere Infektionswelle, da Maßnahmen zu früh gelockert wurden. Außerdem hat die Pandemie in vielen Ländern, in die Abschiebungen durchgeführt werden, viel weitreichendere Auswirkungen als in Deutschland. Zum Beispiel:

• In Afghanistan – laut dem Global Peace Index 2019 das unsicherste Land der Welt – droht aufgrund der Einschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus und steigender Lebensmittelpreise eine Hungersnot;

• Ostafrikanische Länder wie Äthiopien und Somalia kämpfen nicht nur gegen COVID-19, sondern seit dem letzten Jahr bereits gegen die schlimmste Heuschreckenplage seit Jahrzenten;

• Im Irak besteht wegen der Auswirkungen des Corona-Virus die Gefahr des Erstarkens des sogenannten »Islamischen Staates«.

Deswegen erneuern die Organisationen ihre Forderung, dass es während der Pandemie ein Abschiebungsmoratorium geben muss. Da Abschiebungen nicht vertretbar sind und vielfach auch praktisch weiterhin scheitern werden, sollten die betroffenen Personen auch nicht in einem nervenaufreibenden Schwebezustand gelassen werden.

Die Bundesländer müssen mindestens für besonders betroffene Staaten Abschiebungsstopps erlassen. Die Organisationen kritisieren, dass offenbar keine genaue Prüfung der aufgrund der Pandemie geänderten Situation und Lebensumstände in den Abschiebungszielstaaten stattfindet.

Erste Sammelabschiebungen wurden bereits durchgeführt, darunter Ende Mai die einer achtköpfigen Roma-Familie mit einem behinderten Kind nach Serbien.


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