| Aktuell, Entwicklungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht Der „Diskussionsentwurf“ des BMI für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung

Der Flüchtlingsrat Berlin e.V. informiert in seinem Newsletter vom August 2023 u.a.:

Der „Diskussionsentwurf“ des BMI für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung

Als Ergebnis des „Flüchtlingsgipfels“ Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 10.5.2023 legte
das Bundesinnenministerium (BMI) am 1.8.2023 einen „Diskussionsentwurf“ mit umfangreichen Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts vor. Enthalten sind umfangreiche Ausweitungen der Abschiebungshaft und der spezifischen Sanktions- und Strafvorschriften für Nichtdeutsche. Der Entwurf beruht auf Vorschlägen der im Grundgesetz als Verfassungsorgan gar nicht vorgesehenen MPK. Er ist weder mit dem Bundeskabinett noch mit den Fraktionen der Ampelkoalition abgestimmt und deshalb nur als „Diskussionsentwurf bezeichnet.

  • Bei Abschiebungen aus Sammelunterkünften soll die Polizei künftig auch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschuss sämtliche Wohn- und sonstigen Räume der Unterkunft (nicht nur das Zimmer der abzuschiebenden Person) „betreten“ dürfen, wobei dieses „Betreten“ laut Begründung des Entwurfs auch die Befugnis zum Aufbrechen der Türen beinhalten soll (§ 58 AufenthG).

  • Der Verstoß gegen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 AufenthG) soll ein eigenständi- ger Haftgrund werden, auch wenn keine Fluchtgefahr vorliegt. Abschiebungshaft soll auch zulässig werden, wenn erst innerhalb der nächsten 6 (bisher 3) Monate eine Abschiebung möglich erscheint (§ 62 AufenthG). Das Ausreisegewahrsam soll von 10 auf 28 Tage verlän- gert werden (§ 62b AufenthG).

  • Asylsuchende, bei denen zum Zeitpunkt der Asylantragstellung die Voraussetzungen für Abschiebungshaft vorliegen, sollen trotz Asylantrags inhaftiert werden können. Nach dieser Regelung könnten künftig prinzipiell alle neu ankommende Asylsuchenden inhaftiert werden

(§ 14 AsylG). Der Katalog als „offensichtlich unbegründet“ abzulehnender Asylanträge wird ausgeweitet (§ 30 AsylG).

Regelungen zur Übernahme von Kosten der Sozialleistungen etc. für Geflüchtete durch den Bund – die Kernforderung der Länder beim Flüchtlingsgipfel der MPK – sucht man im BMI-Entwurf vergeblich.

Enthalten sind nur geringfügige Erleichterungen des Verwaltungsaufwands für Ausländerbehörden. So sollen Aufenthaltsgestattungen für bis zu 12 Monate verlängert werden können, Aufenthaltser- laubnisse für subsidiär Geschützte sollen für jeweils 3 Jahre auszustellen sein.

Neuer Ausweisungsgrund soll nach der geplanten Änderung die Unterstützung einer kriminellen Ver- einigung nach § 129 StGB werden, reichen soll der begründete Verdacht, also ein Ermittlungsverfah- ren ohne Gerichtsurteil. Das in der Öffentlichkeit als Mittel zur Ausweisung von „Clanfamilien“ kritisch diskutierte Vorhaben steht im Widerspruch zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung.

Nach § 129 kommt es in der Praxis zu vielen Ermittlungsverfahren, aber nur selten zu Verurteilungen. Betroffen sind häufig politische Gruppierungen, aktuell etwa die „letzte Generation“ und das „Zentrum für politische Schönheit“.

Strafbar ist dabei auch, wer eine solche Vereinigung lediglich "unterstützt", ohne selbst eine Straftat zu begehen. Der Tatbestand der „Unterstützung“ bleibt diffus und wird von Ermittlern gerne weit gefasst. § 129 ist bei Strafverfolgungsbehörden beliebt, weil Ermittler erheblich erweiterte Befug- nisse haben, wenn dieser Verdacht im Raum steht. § 129 StGB wird deshalb auch „Schnüffelparagraf“ genannt.

Kritiker bezeichnen § 129 auch als Gesinnungsparagraf, mit dem einfache Kontaktpersonen verur- teilt und gesamte politische Einstellungen kriminalisiert werden könnten. Ein Ermittlungsverfah- ren nach § 129 könnte künftig ohne Beweis und Strafurteil zur Ausweisung langfristig hier lebender Menschen führen.

Im Diskussionsentwurf des BMI fehlen die weiteren Vorhaben des seit langem geplanten Migrationspakets II. Ursprünglich hatte die Ampel-Regierung bereits für Herbst 2022 ein „Migrationspaket II“ u.a. mit Erleichterungen des Familiennachzugs zu Geflüchteten und zu hier lebenden deutschen Ehepartnern, der Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylbewerber*innen und Geduldete, sowie Erleichterungen der Abschiebung (sog „Rückführungsoffensive“) geplant. Übrig geblieben ist scheinbar nur die Rückführungsoffensive.

  • Zum Familiennachzug (Geschwisternachzug, Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten u.a.) vgl. Positionspapier JUMEN e.V./Terre des Hommes, Okt. 2022.

  • Zur „Rückführungsoffensive“ vgl. Stellungnahme Deutscher Anwaltverein DAV zur Verbes- serung des Schutzes von schwerkranken Ausländerinnen und Ausländern bei der Berück- sichtigung von Krankheit als Abschiebungsverbot und als Duldungsgrund (§ 60a Abs. 2c und d sowie § 60 Abs. 7 AufenthG), Juni 2023.

Flüchtlingsrat Berlin e.V.

Greifswalder Str. 4

10405 Berlin 

www.fluechtlingsrat-berlin.de

 

 

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