| Integrationsgesetz Das „Integrationsgesetz“ – Veränderungen in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge
Stand: 15.06.2016
Bei seiner Klausur auf Schloss Meseberg brachte das Bundeskabinett am 24. Mai 2016 ein neues Gesetzespaket auf den Weg: das so genannte Integrationsgesetz.
Der auf das Prinzip „fördern und fordern“ angelegte Gesetzentwurf beinhaltet neben einigen sinnvollen Veränderungen auch erhebliche Gesetzesverschärfungen, die für eine gelingende Integration kontraproduktiv sind. Dazu gehört zum Beispiel eine (zeitlich begrenzte) Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge. Bis zu drei Jahren können Flüchtlinge danach verpflichtet werden, in einer bestimmten Kommune zu wohnen, so lange sie keiner Beschäftigung nachgehen, die ihren Lebensunterhalt sichert.
In Bezug auf den Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten ergeben sich aus dem Gesetzespaket folgende Änderungen:
Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM)
Für Asylsuchende, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, sollen 100.000 zusätzliche "Arbeitsgelegenheiten", die Ein-Euro-Jobs ähneln, geschaffen werden. Dadurch sollen sie schon während des Asylverfahrens an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Die Aufwandsentschädigung für diese Arbeitsgelegenheiten wurde dabei von 1,05 Euro auf 0,80 Euro gesenkt. Menschen, die aus sogenannten "sicheren Herkunftsländern" nach Deutschland geflüchtet sind, sind von dem Programm allerdings ausgeschlossen.
Wie PRO ASYL in einer ersten Einschätzung zum Integrationsgesetz angemerkt hat, hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese Jobs fast nie ein Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt darstellen. Insbesondere beim Einsatz außerhalb des gemeinnützigen Bereichs könnte durch die Maßnahme ein neuer Billiglohnbereich unterhalb des Mindestlohnes entstehen.
Sonderregelung für die Ausbildungsförderung von Geflüchteten
Für Asylsuchende mit "guter Bleibeperspektive"*, Geduldete, die keinem Beschäftigungsverbot unterliegen, und Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel soll der Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem SGB III befristet bis Ende 2018 erleichtert werden.
Dies beinhaltet, dass Asylsuchende mit einer guten Bleibeperspektive nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes bereits nach drei Monaten Zugang zu ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH), Assistierter Ausbildung (AsA) und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) haben werden. Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und Ausbildungsgeld können nach 15 Monaten bezogen werden.
Geduldete, die keinem Beschäftigungsverbot unterliegen, können nach 12 Monaten abH und Leistungen der AsA beziehen, wenn sie über einen betrieblichen Ausbildungsplatz, eine Einstiegsqualifizierung oder die konkrete Zusage eines Betriebes verfügen. Nach sechs Jahren haben sie Zugang zu BvB und paralleler BAB.
Aufenthaltsgestattung = Ankunftsnachweis
Die Aufenthaltsgestattung entsteht nun einheitlich für alle Schutzsuchenden mit dem Erhalt des Ankunftsnachweises. Dadurch sollen bisherige Unsicherheiten in der Praxis beseitigt werden, durch die Personen mit einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) in der Vergangenheit immer wieder Rechte vorenthalten wurden.
Orientierungskurse auch mit unklarer Bleibeperspektive?
Es soll geprüft werden, ob auch Asylsuchende mit unklarer Bleibeperspektive in Zukunft an Orientierungskursen teilnehmen dürfen. Da es sich bei dieser Regelung aber lediglich um einen Prüfauftrag handelt ist unklar, ob die Betroffenen letztendlich tatsächlich von der Änderung profitieren werden.
Duldung während der Ausbildung
Auszubildenden ist zukünftig für die Dauer ihrer Ausbildung eine Duldung zu erteilen und zwar unabhängig von ihrem Alter. Diese kann nach dem Abschluss der Ausbildung zum Zwecke der Jobsuche für weitere sechs Monate verlängert werden. Bei Abbruch der Ausbildung erlischt die Duldung.
Möglichkeit der Aussetzung der Vorrangprüfung
Die Bundesländer bekommen die Möglichkeit, die Vorrangprüfung** für Personen mit Aufenthaltsgestattung, BüMA und Duldung für die kommenden drei Jahre auszusetzen. Die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit kann dabei von der regionalen Arbeitslosigkeit abhängig gemacht werden.
Nach Angaben der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) haben bisher acht Bundesländer signalisiert, die Vorrangprüfung bei Asylsuchenden und Geduldeten komplett auszusetzen. Dabei handelt es sich um Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Während Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Rheinland-Pfalz noch keine Entscheidung getroffen haben, sollen in Hessen und Nordrhein-Westfalen lediglich einzelne Agenturbezirke von der Vorrangprüfung ausgenommen werden. Mecklenburg-Vorpommern will weiterhin komplett an der Vorrangprüfung festhalten.
Ab 2019 soll die Vorrangprüfung, die bisher vom 4. bis zum 15. Monat des Aufenthaltes durchgeführt wurde, flächendeckend auf die ersten 48 Monate des Aufenthaltes ausgedehnt werden. Dadurch wird Asylsuchenden und Geduldeten in dieser Zeit die Aufnahme einer Beschäftigung massiv erschwert.
Den gesamten Gesetzesentwurf (inklusive Begründungen) finden Sie hier.
Eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf von PRO ASYL finden Sie hier.
*Der Flüchtlingsrat NRW lehnt die Einteilung in Flüchtlinge mit „guter“ und „schlechter“ Bleibeperspektive ab. Diese Einteilung ist mit dem individuellen Grundrecht auf Asyl nicht vereinbar.
** Im Rahmen der Vorrangprüfung, die bei Asylsuchenden und Geduldeten vom 4. bis zum 15. Monat ihres Aufenthaltes in Deutschland durchgeführt wird, wird geprüft, ob für ein konkretes Jobangebot ein Deutscher, EU-Bürger oder jemand mit einem bevorrechtigten Aufenthaltsstatus zur Verfügung steht. Nur wenn dies ausgeschlossen werden kann, darf der Job von der Person mit Aufenthaltsgestattung, BüMA oder Duldung ausgeübt werden.