| Weitere aktuelle Gesetzesentwicklungen Referent*innenentwurf des BMAS: Verlängerung der Westbalkanregelung
Das BMAS hat einen Referent*innenentwurf zur Verlängerung der „Westbalkanregelung“ (§ 26 Abs. 2 BeschV) vorgelegt:
- Den Referent*innen-Entwurf gibt es hier,
- Eine Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege gibt es hier.
Dass die Frage der Verlängerung dieser Regelung offensichtlich politisch umstritten war, zeigt sich darin recht deutlich.
Zu den geplanten Änderungen im Einzelnen:
- Die Regelung soll nur bis Ende 2023 verlängert, aber nicht entfristet werden.
- Die Vorrangprüfung soll erhalten bleiben (anders als in fast allen sonstigen Bereichen der Erwerbsmigration).
- Der „erstmalige“ Antrag soll weiterhin zwingend bei der Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt werden müssen, ein Spurwechsel von bereits im Inland lebenden Personen bleibt damit oftmals ausgeschlossen.
- Es gilt eine Begrenzung auf 25.000 Zustimmungen zu „erstmaligen“ Antragstellungen pro Jahr (Verlängerungsanträge oder Arbeitgeber*innen-Wechsel werden darauf nicht angerechnet). Im Jahr 2019 betrug die Zahl der nach der Westbalkanregelung erteilten Visa über 27.000.
- Das Gravierendste: Die Anwendung des § 9 BeschV wird für „Neufälle“ ausgeschlossen. Das heißt: Auch nach zweijähriger versicherungspflichtiger Beschäftigung oder dreijähriger Aufenthaltsdauer bleibt bei einem Arbeitsplatzwechsel stets eine neue Zustimmung der BA inkl. Vorrang- und Beschäftigungsbedingungsprüfung erforderlich. Diese Verschärfung wird besonders negative Folgen für die Betroffenen haben, da damit Arbeitgeber*innen-Wechsel drastisch erschwert und somit mögliche Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse verfestigt werden.
Wichtig: Der Ausschluss von § 9 BeschV gilt dabei allerdings nicht für Personen, die bereits vor dem Jahr 2021 mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 in Deutschland gelebt haben, also zum Beispiel schon jetzt mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c (bzw. nach altem Recht § 18 Abs. 3) AufenthG in Verbindung mit der Westbalkanregelung in Deutschland leben: Sie dürfen weiterhin nach dreijährigem Voraufenthalt oder zweijähriger Vorbeschäftigungszeit ohne erneute Zustimmung der BA den Arbeitsplatz wechseln.
- Die erleichterte Niederlassungserlaubnis nach § 18c Abs. 1 AufenthG bleibt für Personen, die einen Aufenthaltstitel nach der Westbalkanregelung besitzen, nicht anwendbar.
Unterm Strich ist gut, dass die Westbalkanregelung überhaupt verlängert wird. Durch neue Verschärfungen (insbesondere den Ausschluss von § 9 BeschV) und beibehaltene Einschränkungen (insbesondere die Vorrangprüfung und das Antragserfordernis im Herkunftsstaat) wird sie aber zur Folge haben, dass damit diese Gruppe von Arbeitsmigrant*innen noch weniger Rechte haben wird als andere Gruppen (wie Unionsbürger*innen oder Fachkräfte aus Drittstaaten). Dass ein großer Teil der Betroffenen engste Verbindungen nach Deutschland hat (weil sie früher selbst bereits lange Zeit hier gelebt haben, oder Familienangehörige hier leben), wird in der konkreten Umsetzung weitestgehend ausgeblendet. Die Abhängigkeit vom jeweiligen Arbeitgeber*in wird noch größer als zuvor, der Verlust des Arbeitsplatzes wird noch häufiger den Verlust der gesamten Aufenthaltsperspektive in Deutschland zur Folge haben. Die vorgeschlagene Regelung verfestigt somit Ungleichbehandlungen und schafft Arbeitsmigrant*innen dritter Klasse.