| Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Medizinische Altersfeststellungen bei jungen Flüchtlingen
Eine bislang unveröffentlichte Studie der Münsteraner Rechtsmedizin zur Altersfeststellung von Flüchtlingen hat nach Angaben eines ZEIT Online Berichtes vom 16.09.19 ergeben, dass knapp 40% der untersuchten unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge falsche Altersangaben gemacht haben. Im Rahmen der Studie seien im Auftrag einiger Jugendämter und Gerichte insgesamt 594 Altersgutachten geprüft worden; in 234 Fällen hätten die Rechtsmedizinerinnen ein Mindestalter von 18 Jahren und damit die Volljährigkeit festgestellt.
Mehrere Medien berichteten über die Studie aus Münster. Besonders reißerisch setzte sich Focus Online in einem Bericht vom 17.09.19 mit der Thematik auseinander. Danach würden junge Schutzsuchende „gute Tipps“ ihrer Schlepperinnen anwenden, um mit Hilfe falscher Altersangaben bessere Schutz- und höhere Sozialleistungen in Deutschland zu erhalten.
ZEIT Online betonte in ihrer Berichterstattung vom 16.09.19, dass sich die knapp 40% der in Münster angeblich festgestellten inkorrekten Altersangaben auf explizit angezweifelte Gutachten beziehen. Keinesfalls dürfe von den Ergebnissen auf die Gesamtzahl der unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge in Deutschland geschlossen werden. Generell stehe die Praxis der medizinischen Altersfeststellungen stark in der Kritik. Laut Münsteraner Rechtsmedizin sollen insbesondere Röntgenbilder von Kiefer, Handgelenk und Schlüsselbein Aufschluss über das tatsächliche Alter von Personen geben können. Viele medizinische Akteurinnen, allen voran die Bundesärztekammer, sehen das Verfahren kritisch.
Die zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer hat, laut Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 02.01.18, bereits Ende 2016 sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Verfassungskonformität ärztlicher Altersfeststellungen angezweifelt. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer, wurde gegenüber der Süddeutschen Zeitung noch deutlicher und bezeichnete Altersuntersuchungen als unsicher, teuer und vor allem auch schädlich. Nach den Regeln des Strahlenschutzes sei eine Altersfeststellung nur im Rahmen von Strafprozessen zulässig. Ansonsten seien Röntgenaufnahmen ohne medizinische Indikation als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu werten. Genitaluntersuchungen, die ebenfalls Bestandteil von Altersfeststellungen sein können, wurden, laut Süddeutscher Zeitung, insbesondere von den kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften und Fachverbänden kritisiert. Eine Altersfeststellung, die auf Genitaluntersuchungen basiert, sei äußerst ungenau und rechtfertige keinesfalls das Überschreiten von Schamgrenzen.