| weitere vulnerable Gruppen Arbeitshilfe: Betroffene von Menschenhandel im Asylkontext erkennen - Problembeschreibung und Handlungsempfehlungen
Anbei finden Sie eine Arbeitshilfe vom Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK):
Der KOK beobachtet und benennt kontinuierlich aktuelle Problemstellungen aus der Praxis für Betroffene von Menschenhandel - auch im Kontext von Flucht. Daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen trägt der KOK an relevante Akteure aus Politik und Behörden heran. Das vorliegende Policy Paper beschäftigt sich mit der Identifizierung geflüchteter Betroffener von Menschenhandel.
Menschen auf der Flucht sind besonders gefährdet, Gewalt zu erfahren und ausgebeutet zu werden. Faktoren wie prekäre Unterbringung, eingeschränkte Rechte, Lücken im Unterstützungssystem sowie fehlende Informationen zur eigenen rechtlichen Situation können das Risiko erhöhen, in ausbeuterische Situationen zu gelangen. Die COVID-19-Pandemie und die zu deren Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen verstärken die Vulnerabilität von Geflüchteten und Betroffenen von Menschenhandel und Ausbeutung zusätzlich. Quarantänebestimmungen begünstigen die Isolation von Betroffenen. Ermittlungsbehörden führen aufgrund der Einschränkungen weniger Untersuchungen durch. Ebenso der fehlende oder erschwerte Zugang für Fachberatungsstellen (FBS) zu möglichen Betroffenen von Menschenhandel hat gravierende Auswirkungen, da die FBS eine große Rolle bei der Identifikation von Betroffenen von Menschenhandel spielen.
Laut der EU-Aufnahmerichtlinie (AufnRL 2013/33/EU; Art. 12) gehören Betroffene von Menschenhandel zur Gruppe besonders schutzbedürftiger Personen. Diese Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten dazu, besonders schutzbedürftige Personen unter den Geflüchteten im Verlauf des Asylverfahrens möglichst frühzeitig zu erkennen und ihnen Schutzmaßnahmen zu gewährleisten. Die Identifizierung Betroffener von Menschenhandel und Ausbeutung ist die grundlegende Voraussetzung für die Gewährung von Schutz und Unterstützung sowie der ihnen zustehenden Rechte. Aber auch die Strafverfolgung der Täter*innen hängt im Wesentlichen von der Identifizierung Betroffener ab, da die Verfahren wegen Menschenhandel und Ausbeutung auf den Personenbeweis, also die Aussage der Betroffenen oder Zeug*innen, angewiesen sind.
Die Notwendigkeit der Identifizierung von Betroffenen wird zwar von den meisten Akteuren, die sich mit Fällen von Menschenhandel befassen oder mit Betroffenen in Kontakt kommen könnten, anerkannt. Dennoch gelingt es in Deutschland nach wie vor nicht, Betroffene von Menschenhandel innerhalb des Asylsystems systematisch zu identifizieren.
Das Policy Paper macht auf diese Problematik aufmerksam, erläutert mögliche Gründe und gibt Handlungsempfehlungen, um die Identifizierung Betroffener von Menschenhandel und Ausbeutung im Kontext von Flucht und Asyl zu verbessern.
Die hier dargestellten Sachverhalte und Beobachtungen und aus ihnen abgeleitete Forderungen basieren auf den Ergebnissen einer Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2019 für den Zeitraum 2016 – 2018 (im Folgenden: Erfassungszeitraum) sowie auf einer Desktop-Recherche. Weitere Problembeschreibungen der KOK-Mitgliedsorganisationen ergänzen und bestätigen die Ergebnisse der Bestandsaufnahme. Die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen sind aus Sicht der spezialisierten Fachberatungsstellen (FBS) notwendige Maßnahmen, damit Betroffene von Menschenhandel angemessen geschützt und unterstützt werden und ihre Rechte in Anspruch nehmen können.