| EU-Migration LSG NRW: Anspruch auf reguläre SGB-XII-Leistungen
Anbei finden Sie ein Beschluss des Landessozialgerichts NRW vom 5. Mai 2021 (L 9 SO 56/21 B ER) bezüglich eines Anspruchs auf reguläre SGB-XII-Leistungen nach einem fünfjährigem Aufenthalt auch ohne Wohnsitzanmeldung.
In diesem Fall hatte ein rumänischer Staatsangehöriger seit dem Jahr 2009 durchgehend obdachlos auf der Straße bzw. in Notübernachtungsstellen gelebt. Eine Wohnsitzanmeldung hatte er zu keinem Zeitpunkt, allerdings Bestätigungen von Notschlafstellen, des Straßenmagazins und von Streetworker*innen, dass er sich ohne wesentliche Unterbrechung in Deutschland aufgehalten habe. Ein Antrag auf Grundsicherung im Alter wurde vom Sozialamt mit Verweis auf die fehlende (erstmalige) Wohnsitzanmeldung abgelehnt.
Das LSG NRW hat das Sozialamt verpflichtet, vorläufig GruSi in voller Höhe zu erbringen. Dazu hat es folgendes festgestellt:
- Er hat Anspruch auf reguläre Leistungen aufgrund der Rückausnahme des § 23 Abs. 3 S. 7 SGB XII (im SGB II gibt es eine entsprechende Rückausnahme in § 7 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II), nach der die ausländerrechtlichen Leistungsausschlüsse nach einem fünfjährigen „gewöhnlichen" Aufenthalt nicht mehr greifen.
- Entgegen dem Gesetzeswortlaut darf für den Beginn der Fünfjahresfrist nicht zwingend eine (erstmalige oder durchgehende) Wohnsitzanmeldung vorausgesetzt werden, wenn der Aufenthalt anderweitig nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden kann.
- Die Wohnsitzanmeldung darf leistungsrechtlich insbesondere dann nicht vorausgesetzt werden, wenn aufgrund von Obdachlosigkeit gar keine Pflicht und noch nicht einmal die Möglichkeit einer Wohnsitzanmeldung besteht.
Eine hilfreiche Darstellung der Rechtsprechung zur Bedeutung der Wohnsitzanmeldung für die Rückausnahme nach fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt finden Sie in dieser Veröffentlichung „Sozialrecht Justament" (März 2021 (ab S. 7).