| Familienzusammenführung EuGH: Unbegleitete Minderjährige, die während des Asylverfahrens volljährig werden, behalten Recht auf Familienzusammenführung
Presseerklärung des EUGH vom 12. April 2018:
Ein solcher Antrag auf Familienzusammenführung muss jedoch innerhalb einer angemessenen Frist gestellt werden, d. h. grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist
Eine Minderjährige mit eritreischer Staatsangehörigkeit, die unbegleitet in die Niederlande eingereist war, stellte am 26. Februar 2014 einen Asylantrag. Sie wurde am 2. Juni 2014 volljährig. Am 21. Oktober 2014 erteilte der niederländische Staatssekretär ihr einen auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltstitel für Asylberechtigte, der auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags zurückwirkte. Am 23. Dezember 2014 stellte eine niederländische Organisation, die sich um Flüchtlinge kümmert (VluchtelingenWerk Midden-Nederland), einen Antrag auf Erteilung eines vorläufigen Aufenthaltstitels für die Eltern der Minderjährigen (A und S) und für ihre drei minderjährigen Brüder im Rahmen der Familienzusammenführung mit einem unbegleiteten Minderjährigen. Mit Entscheidung vom 27. Mai 2015 lehnte der Staatssekretär diesen Antrag mit der Begründung ab, die Tochter von A und S sei zum Zeitpunkt der Antragstellung volljährig gewesen.
Gegen diese Ablehnung gehen A und S vor. Sie sind der Auffassung, dass es für die Frage, ob jemand ein „unbegleiteter Minderjähriger“ im Sinne der Richtlinie über die Familienzusammenführung1 sei, auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem er in den Mitgliedstaat einreise. Nach Ansicht des Staatssekretärs ist dafür der Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung maßgeblich.
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Anlässlich dieses Falls kommt Uneinigkeit auf. So hält das Auswärtige Amt das EuGH-Urteil zum Elternnachzug in der deutschen Praxis nicht für anwendbar. Bei eingetretener Volljährigkeit von ehemals unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werde demnach der Elternnachzug weiterhin verweigert, da die EuGH-Entscheidung sich nur auf die niederländische Rechtslage beziehe und auf Deutschland nicht anwendbar sei. Begründet werde dies damit, dass in den Niederlanden anders als in Deutschland auch nach Volljährigkeitseintritt des Kindes der Nachzugsanspruch der Eltern bestehen bleibe und erteilte Aufenthaltstitel verlängert werden könnten.
Im Unterschied zum Auswärtigen Amt geht das OVG Berlin-Brandenburg davon aus, dass das EuGH-Urteil vom 12.04.2018 – C-550/16 – sehr wohl relevant für deutsche Visaverfahren ist. Das OVG ist der Ansicht, dass der Anspruch auf Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auch nach Erreichen der Volljährigkeit bestehen bleibt, wenn die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Stellung des Visumantrages vor Erreichen der Volljährigkeit stattgefunden hat. Der Beschluss geht außerdem auf die Aufenthaltserlaubnis für bereits eingereiste Eltern, ab dem Erreichen der Volljährigkeit des unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtlings, ein. Den Beschluss in voller Länge finden Sie hier.