| Unterbringung von Flüchtlingen Haltung des FR NRW zur Unterbringungssituation
Die rassistischen Exzesse, die sich 2013 in Berlin-Hellersdorf um die Unterbringung von Flüchtlingen in einer Gemeinschaftsunterkunft abspielten, haben beim Flüchtlingsrat NRW zu vermehrten Anfragen von Medien und BürgerInnen geführt.
Kein Zweifel: Die Flüchtlingszahlen steigen. Für das laufende Jahr kann mit einer Flüchtlingszahl von bundesweit 200.000 gerechnet werden. Im Vergleich zu den 90er Jahren ist diese Zahl freilich nach wie vor gering. 1992 flohen mehr als zweimal soviele Flüchtlinge nach Deutschland.
Zum öffentlichen Problem wird die Flüchtlingszuwanderung also v.a. deshalb, weil bürokratische Aufnahmeprozeduren und behördliche Auflagen eine Konzentration der Flüchtlingen an bestimmten Orten (etwa Erstaufnahmeeinrichtungen) vorsehen, und weil Flüchtlinge aufgrund restriktiver Wohnsitzauflagen nicht dort wohnen dürfen, wo sie es wollen und womöglich auch könnten (etwa bei Verwandten oder Freunden), sondern dort einziehen müssen, wo ihnen ein Platz zugewiesen wird. Es wäre insofern schon viel gewonnen, wenn Flüchtlingen das Recht eingeräumt würde, sich selbst Wohnraum zu suchen. Ggfs. auftretende Disparitäten bei der Verteilung der Flüchtlinge ließen sich auch durch finanzielle Ausgleichzahlungen kompensieren. Eine zentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Großlagern ist aus humanitären wie integrationspolitischen Gründen abzulehnen.
Musterbeispiel für ein gelungenes Unterbringungskonzept ist das so genannte Leverkusener Modell. Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren erlaubt die Stadt Leverkusen allen ihr zugewiesenen Flüchtlingen den Auszug in eine Privatwohnung – unabhängig von Aufenthaltsdauer und –status. Das Leverkusener Modell erleichtert die frühzeitige Integration in die Aufnahmegesellschaft und verhindert eine Ghettoisierung. Dementsprechend genießt das Konzept eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Konflikte über die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte gibt es in Leverkusen nicht. Zudem konnte die Stadt ihre Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen deutlich reduzieren, da sie in der Lage war, mehrere kostenintensive Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen. Andere nordrhein-westfälische Kommunen wären also gut beraten, sich an dem Leverkusener Erfolgsmodell zu orientieren.
Wer hingegen größere Gruppen von Flüchtlingen ohne jede Vorbereitung in abgelegenen Dörfern unterbringen will, die keinerlei Infrastruktur bieten und nicht an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden sind, muss sich nicht wundern, dass darüber weder die Dörfer noch die Flüchtlinge begeistert sind. Gefordert sind kommunale Unterbringungskonzepte, die eine Einbeziehung und Teilhabe der Flüchtlinge zum Ziel haben, statt die Betroffenen irgendwo im Gewerbegebiet in Großunterkünften oder auf abgelegenen Dörfern zu isolieren. Jeder Flüchtling will irgendwo ankommen und ein neues Leben beginnen, das heißt auch eine eigene Wohnung beziehen, arbeiten und Nachbarschaften pflegen. Ziel jeder kommunalen Flüchtlingspolitik muss es daher sein, dieses Ankommen perspektivisch zu ermöglichen und Alltäglichkeit zu stiften. Es wird Zeit, dass sich alle Kommunen auch ihrer Verantwortung stellen und nachhaltige Konzepte entwickeln.
Die Landesregierung sollte die Kommunen darin bestärken, entsprechende Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Sie muss darüber hinaus dafür Sorge tragen, dass sich Szenen, wie sie sich im vergangenen Herbst rund um die Erstaufnahmeeinrichtungen und Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes abgespielt haben, nicht wiederholen. Damals waren mehrere Einrichtungen wegen Überfüllung geschlossen worden. Die Asylsuchenden mussten teilweise wochenlang in improvisierten Notunterkünften ausharren und wurden von einer Einrichtung zur nächsten geschickt. Es liegt in der Verantwortung der Landesbehörden, auch die längerfristige Entwicklung der Flüchtlingszahlen im Auge zu behalten und auf einen sich ankündigenden Anstieg frühzeitig zu reagieren.