| Kosovo Amnesty International Report 2017/18 zu Serbien und Kosovo
Bericht von Amnesty International zum Kosovo
Den Bericht finden Sie auf der Homepage von AI.
Völkerrechtliche Verbrechen
Obwohl die EU-geführte Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EULEX) nach der Gesetzgebung von 2014 nur über ein eingeschränktes Mandat zur Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen verfügte, wurden einige Strafverfahren weitergeführt. Die strafrechtliche Verfolgung von Serben, denen völkerrechtliche Verbrechen, einschließlich konfliktbezogener sexualisierter Gewalt, während des bewaffneten Konflikts (1998–99) zur Last gelegt wurden, war erschwert, da es kein Rechtshilfeabkommen zwischen dem Kosovo und Serbien gab.
Es war vorgesehen, Hunderte unbearbeiteter Fallakten bis Juni 2018 an die Sonderstaatsanwaltschaft des Kosovo zu übergeben. Staatsanwälte, NGOs und Überlebende konfliktbezogener sexualisierter Gewalt zeigten sich besorgt, weil Zeugenaussagen, die die UN-Übergangsverwaltungsmission im Kosovo (UNMIK) nach dem Konflikt zusammengetragen hatte, nicht zügig und angemessen untersucht worden waren. Im Juni 2017 wurde der ehemaligen Präsidentin des Kosovo, Atifete Jahjaga, die Einreise nach Serbien verweigert. Sie wollte dort ein Buch mit Aussagen von Überlebenden konfliktbezogener sexualisierter Gewalt vorstellen.
Entschädigung
Bei der Umsetzung der im Jahr 2014 eingeführten gesetzlichen Bestimmungen, die gewisse Entschädigungsleistungen für Überlebende konfliktbezogener sexualisierter Gewalt vorsahen, waren Fortschritte zu verzeichnen. So wurde eine Kommission gebildet, die Anträge von Überlebenden auf monatliche finanzielle Unterstützungsleistungen ab Januar 2018 bearbeiten soll. Andere Entschädigungsmaßnahmen entsprachen nicht den internationalen Standards, da sie den Überlebenden kein Recht auf kostenlose Gesundheitsversorgung und eine angemessene Rehabilitierung einräumten. Die Stigmatisierung, die mit den im Krieg erlittenen Vergewaltigungen verbunden war, stellte für viele Überlebende weiterhin eine große Belastung dar.
Verschwindenlassen
In Bezug auf die Personen, die seit dem bewaffneten Konflikt vermisst wurden, gab es kaum Fortschritte. Zu den wenigen aufgefundenen sterblichen Überresten zählte die Leiche eines Mannes, die albanische Dorfbewohner aus einem Fluss geborgen hatten, der vom Kosovo in Richtung Albanien fließt. Der Leichnam, den die Dorfbewohner bestattet hatten, wurde im September 2017 exhumiert. Schätzungen zufolge wurden noch immer 1658 Personen vermisst.
Am 28. Juni 2017 nahmen die Kosovo-Sonderkammern in Den Haag ihre Arbeit auf. Sie waren eingerichtet worden, um mutmaßliche Fälle von Entführung, Folter und Mord an Kosovo-Serben und einigen Kosovo-Albanern zu untersuchen, die während des Krieges und danach von Mitgliedern der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) nach Albanien verschleppt worden waren. Im Dezember 2017 scheiterte eine Initiative von Parlamentsabgeordneten, die das dem Sondergerichtshof zugrundeliegende Gesetz aufheben wollten, weil dieses ihrer Ansicht nach die UÇK benachteiligte.
Haftbedingungen
Im Mai 2017 wurde dem Zentrum zur Rehabilitierung von Folteropfern des Kosovo, das befugt ist, die Behandlung von Gefangenen zu überprüfen, der Zugang zu Gefängniskliniken verweigert, nachdem diese dem Gesundheitsministerium unterstellt worden waren. Einige Häftlinge verbrachten vor und nach der Anklageerhebung lange Zeit in Haft; ein Angeklagter war entgegen der Strafprozessordnung sogar länger als 31 Monate inhaftiert. Im Fall von Astrit Dehari, der der Oppositionspartei Vetëvendosje angehörte und im November 2016 in der Haft gestorben war, gab es seitens des Justizministeriums keinerlei Erklärung.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Im Oktober 2017 fand mit Unterstützung der Regierung die erste Pride-Parade statt. Nachdem eine Person, die im Rahmen der Veranstaltung eine Rede über die Rechte von Transgeschlechtlichen gehalten hatte, ernsthafte Drohungen erhalten hatte, wurden Ermittlungen wegen Hassverbrechen eingeleitet.
Die Journalistenvereinigung des Kosovo berichtete über eine Zunahme von Angriffen, vor allem auf investigative Journalisten.
Recht auf Gesundheit
Im Mai 2017 erklärte sich der UN-Generalsekretär dazu bereit, den 2016 vom Beratenden Menschenrechtsausschuss der UNMIK empfohlenen freiwilligen Treuhandfonds zur Entschädigung von 138 Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern einzurichten. Sie waren 1999 von der UNMIK in Lager für Binnenvertriebene im nördlichen Kosovo umgesiedelt worden, wo sie sich Bleivergiftungen zugezogen hatten. Der UN-Generalsekretär lehnte es jedoch ab, Entschädigungen zu zahlen, sich zu entschuldigen oder die Verantwortung dafür zu übernehmen. Der Beratende Menschenrechtsausschuss hatte festgestellt, dass das Recht auf Leben, Gesundheit und Nicht-Diskriminierung der 138 Binnenvertriebenen verletzt worden war. Sie hatten an Bleivergiftungen und anderen Gesundheitsproblemen wie epileptischen Anfällen, Nierenversagen und Gedächtnisstörungen gelitten, nachdem sie in die Lager gebracht worden waren, die sich in einem Gebiet befanden, das bekanntermaßen verseucht war.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Im April 2017 wurde eine Nationale Strategie zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorgestellt. Im Mai wurde das Gesetz über die Entschädigung von Opfern von Straftaten dahingehend erweitert, dass auch Opfer von häuslicher Gewalt, Menschenhandel, Vergewaltigung und sexuellem Kindesmissbrauch erfasst wurden. Allerdings gewährten die Behörden nur wenigen betroffenen Personen angemessenen Schutz.