| Afghanistan Urteil d. VG Meiningen v. 22.09.2020: Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK
Urteil des VG Meiningen v. 22.09.2020 (Az. 5 K 571/20 Me):
Gegen das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nach Afghanistan eines Betroffenen mit afghanischer Staatsangehörigkeit, wurde durch das BAMF ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Nach einer erfolgreichen Klage wurde der Bescheid des Bundesamtes als rechtswidrig angesehen, welcher den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist somit gegeben:
- Eine Widerrufsentscheidung, die auf der kürzlich erreichten Volljährigkeit beruht, stellt rechtliche Bedenken dar, da das Alter keinen erheblichen Unterschied darstellt, es sei denn mit der Volljährigkeit sind günstigere materielle Ansprüche, Rechte oder ähnliches verbunden. Dies trifft auf den Zielstaat Afghanistan nicht zu.
- Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Mit dem Urteil vom BVerfwG vom 13.06.2013 (Az. 10 C 13.12) ist es nicht erforderlich, dass diese Gefahren seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation droht. So können schlechte humanitäre Bedingungen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne vom Art. 3 EMRK führt. Dies trifft auf den Staat Afghanistan zu, da bei einer heutigen Rückkehr die zu erwartenden Lebensbedingungen nicht dem Maß der Wahrung der Menschenwürde entsprechen würde. So seien unter anderem die Grundbedürfnisse des Lebens (Ernährung, Hygiene, Unterkunft) nicht erfüllbar, was zu einer sofortiger Lebensbedrohung führt. Abgesehen von der allgemein prekären Lage in Afghanistan sind noch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie hinzuzuziehen.
- Wenn der Betroffene als afghanischer Staatsangehöriger nie irgendwelche Verbindungen zu Afghanistan hatte, weil seine Eltern schon vor seiner Geburt im Ausland gelebt haben, er in einem anderen Staat geboren wurde, keine sozialen Kontakte nach Afghanistan pflegt und auch keine sprachlichen Bezüge zum Staat hat, so wird eine Rückkehr in dieses Land und die dortige Gesellschaft als sehr erschwerend angenommen.