| Sichere Herkunftsstaaten Menschenrechtssituation in den Maghreb-Staaten
Obwohl es viele Berichte über die prekäre Menschenrechtssituation in den Maghreb-Staaten gibt, ist die Bundesregierung weiterhin bestrebt, Tunesien, Marokko und Algerien als sogenannte sichere Herkunftsländer einzustufen. Die laufende Gesetzesinitiative bedarf noch einer Entscheidung des Bundesrats. Dort war sie am 15.02.2019 vertagt worden.
Die jüngsten Antworten der Bundesregierung auf zwei Kleine Anfragen der Linksfraktion im Bundestag bestätigen, dass Menschen mit LGBTI-Orientierung oder -Identität in Marokko und Algerien aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung/Identität Verfolgung droht. Auf die Frage, wie die Bundesregierung die Situation von LGBTI in Marokko beurteile, erklärte diese, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in Marokko stark eingeschränkt sei. Es bestehe ein generelles strafrechtliches Verbot von außerehelichen einvernehmlichen sexuellen Handlungen. LGBTI-Orientierung oder -Identität würden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Offen gelebte Homosexualität werde sozial nicht akzeptiert und sei strafbewehrt.
In einer Pressemitteilung vom 16.07.2019 weist die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die LINKE) darauf hin, dass auch Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten in Marokko und Algerien regelmäßig schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien.
Mit Urteil vom 28.05.2019 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart das BAMF verpflichtet, einer tunesischen Staatsangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Diese war aus Tunesien geflohen, um einer Zwangsverheiratung mit einem Cousin zu entgehen. Monatelang war sie physisch und psychisch von ihrem Onkel und dessen Familie unter Druck gesetzt worden. Bei einer Rückkehr nach Tunesien sei ihr Leben bedroht. Die tunesischen Behörden hätten nicht geholfen, sondern zusätzlich Druck auf die Klägerin ausgeübt. Das Gericht stellte in seinem Urteil fest, dass die drohende Zwangsverheiratung im vorliegenden Fall eine geschlechtsspezifische Verfolgung i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG begründe. Zwar seien laut dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Tunesien vom 02.03.2019 Frauen und Männer in Tunesien gesetzlich gleichgestellt, häusliche Gewalt sei aber insbesondere in den ländlichen Gebieten keine Seltenheit.
Süddeutsche Zeitung: Bundesrat verschiebt Abstimmung über sichere Herkunftsländer (15.02.2019)
Antwort des Auswärtigen Amtes auf die Kleine Anfrage „Menschenrechtssituation in Marokko“ der Linksfraktion im Bundestag (11.07.2019)
Antwort des Auswärtigen Amtes auf die Kleine Anfrage „Menschenrechtssituation in Algerien“ der Linksfraktion im Bundestag (11.07.2019)
Pressemitteilung von Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestages (DIE LINKE): Menschenrechtsverletzungen sind in Algerien und Marokko an der Tagesordnung (16.07.2019)
VG Stuttgart: Az: A 5 K 16660/17 (17.06.2019)
Dieser Artikel ist Teil des Newsletter Juli 2019.