| Aktuell, Asylbewerberleistungen und Sozialleistungen Bundessozialgericht: Regelbedarfsstufe 2 für Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften ist auch bei den Grundleistungen nach § 3a AsylbLG verfassungswidrig
Das Bundessozialgericht äußert in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung die Ansicht, dass die sozialrechtliche Zwangsverpartnerung für Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften (Regelbedarfsstufe 2 statt 1) auch bei den AsylbLG-Grundleistungen nach § 3a AsylbLG verfassungswidrig ist (BSG, Vorlagebeschluss vom 26. September 2024; B 8 AY 1/22 R). Es hat diese Frage daher dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundessozialgericht schreibt:
„Der Senat ist nach alledem zu der Überzeugung gelangt, dass die Ausführungen des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG in der Fassung des Art 1 Nr 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 13.8.2019 (...) bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zum Grundleistungsbezug in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG in gleicher Weise Beachtung finden müssen und zur Verfassungswidrigkeit der Normen führen. Dies entspricht offenbar auch der Auffassung im zuständigen Fachministerium. Der Gesetzgeber hat gleichwohl trotz viermaliger Änderung des AsylbLG seit Oktober 2022 in anderen Punkten keine weitere Begründung für die vorgenommene Differenzierung bei dem Leben in Sammelunterkünften aufgezeigt (...) unabhängig davon, welche Bedeutung dies für zurückliegende Leistungszeiträume hätte. Er hat es weiterhin unterlassen, die tatsächlichen Grundlagen für die Gleichsetzung der in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten mit erwachsenen Leistungsberechtigten, die mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenleben, darzustellen und durch empirische Erkenntnisse zu belegen. Mit Art 3 Nr 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21.2.2024 (BGBl I Nr 54) ist mit Wirkung vom 27.2.2024 vielmehr die Wartefrist für Analogleistungen in § 2 Abs 1 Satz 1 AsylbLG von 18 auf 36 Monate verlängert und damit die Belastung, die für alleinstehende Grundleistungsberechtigte in Sammelunterkünften durch die Absenkung auf die Bedarfsstufe 2 entsteht, deutlich vergrößert worden. Auch mit dieser Gesetzesänderung wird aber nach wie vor nicht begründet dargelegt, dass die in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern erzielen, die einer Absenkung der Leistungshöhe um zehn Prozent gegenüber der Bedarfsstufe 1 entsprechen."
Das Projekt Q der GGUA Münster ordnet die Entscheidung wie folgt ein:
“Das heißt: Falls es in der Praxis noch Fälle geben sollte, in denen die Sozialbehörde Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften der Regelsatzstufe 2 statt 1 zuordnet (und damit im Ergebnis die Leistungen um zehn Prozent kürzt), sollte dagegen in jedem Fall Widerspruch eingelegt werden und auch ein Eilantrag beim Sozialgericht gestellt werden. Diese Eilanträge waren auch in der Vergangenheit schon in aller Regel erfolgreich (viele Beispiele gibt es hier). Mit der Vorlage des BSG dürfte nun erst Recht klar sein, dass die Regelbedarfsstufe 2 unzulässig ist. Zudem sollten Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X für zurückliegende Leistungszeiträume gestellt werden, damit bei der zu erwartenden positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ansprüche auf Nachzahlungen gesichert werden.”