| Asylbewerberleistungen und Sozialleistungen BVerfG: Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG alter Fassung "noch" verfassungskonform
Das Bundesverfassungsgericht hat am 12. Mai 2021 eine Verfassungsbeschwerde gegen eine jahrelange Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG alter Fassung nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 1 BvR 2682/17).
Es hält die Leistungskürzung des alten, bis Februar 2015 geltenden § 1a Nr. 2 AsylbLG für „noch" verfassungskonform, da dieser „nur" eine Leistungskürzung auf das „unabweisbar Gebotene" vorgesehen hatte. Die habe zur Folge, dass „der gesamte existenzsichernde Bedarf weiterhin zu decken ist, aber nun von der bedarfsorientierten Prüfung im Einzelfall abhängig gemacht wird". Das Sozialamt war somit verpflichtet, nicht nur das physische, sondern auch das soziale Existenzminimum zu sichern und nicht etwa kategorisch den Bargeldanteil zu streichen – allerdings nur dann, wenn dieser soziale Bedarf ausdrücklich geltend gemacht und nachgewiesen wurde, dass er eben „unabweisbar geboten" sei. Diese Geltendmachung und dieser Nachweis seien in dem strittigen Einzelfall allerdings nicht erfolgt.
Im Gegensatz dazu sieht das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Fassung des § 1a AsylbLG nicht (mehr) für verfassungskonform:
- Die alte, bis Februar 2015 geltende Fassung des § 1a Nr. 1 AsylbLG, die diesem Verfahren zugrunde lag, hatte eine Leistungskürzung auf das „unabweisbar Gebotene" vorgesehen – eben mit der Folge, dass aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts auch das Soziale Existenzminimum bei „begründeter Bedarfslage" „unabweisbar geboten" sein konnte und daher erbracht werden musste.
- § 1a Abs. 1 AsylbLG in der neuen, seit Oktober 2015 geltenden Fassung sieht jedoch ganz anders aus: Diese sieht nämlich nun eine „generell abstrakte" Kürzung auf bestimmte Bedarfe des physischen Existenzminimums vor. Der Begriff des „unabweisbar Gebotenen" findet sich nicht mehr. Nun sind unter anderem sämtliche Leistungen des sozialen Existenzminimums gesetzlich ausgeschlossen. „Ihnen werden (...) nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt". Nur unter bestimmten Umständen „können" ihnen zusätzlich Leistungen für Kleidung und Hausrat gewährt werden – nicht jedoch die Leistungen des sozialen Existenzminimums, nicht die „unerlässlichen", „erforderlichen" oder „gebotenen" Leistungen des § 6 AsylbLG und nicht die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets.
Dies ist nach dem Bundesverfassungsgericht offensichtlich verfassungswidrig. Grundlage der Entscheidung war das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.05.2017, B 7 AY 1/16 R (Randnummer 23 und 24).
Eine Gegenüberstellung des alten und des aktuellen § 1a AsylbLG gibt es hier.