| Asylbewerberleistungen und Sozialleistungen SG Kassel & SG Marburg: Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG verfassungsrechtlich bedenklich
Anbei erhalten Sie einen Beschluss des Sozialgericht Kassel vom 05.05.2021 (Az: S 11 AY 7/21 ER) bezüglich Leistungskürzungen nach § 1 a Abs. 3 AsylbLG:
Mit Verweis auf mehrere Rechtsprechungen, äußert das Gericht, dass ,,aus der Kürzung nach § 1a AsylbLG einem von der Leistungseinschränkung betroffenen Ausländer rund 50 % seines monatlichen Regelbedarfs vorenthalten werde. […] Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jahrelangen Leistungskürzungen und der aktuellen Lebenssituation des Antragstellers ergeben sich im Ergebnis auch für die erkennende Kammer erhebliche Zweifel an der verfassungsmäßigen Zulässigkeit jedenfalls der aktuellen Leistungskürzung beim Antragsteller.‘‘
Hier finden Sie einen weiteren Gerichtsbeschluss des Sozialgericht Marburg vom 13.04.2021 (Az.: S 9 AY 1/21 ER) bezüglich Leistungskürzungen nach § 1a Abs. 7 AsylbLG:
Das Gericht erklärt die Leistungskürzungen für nicht anwendbar:
''Zwar trifft den Antragsteller vorliegend die Pflicht zur Ausreise und er hat somit keinerlei Bleibeperspektive in Deutschland. Ferner hat der Antragsteller in Frankreich einen Asylantrag gestellt. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Frankreich angedroht. Jedoch rechtfertigt auch dies vorliegend keine andere Bewertung. Allein die nicht erfolgende Ausreise kann gegenüber dem Antragsteller nicht als vermeidbares persönliches Fehlverhalten qualifiziert werden (s.a. SG Oldenburg, Beschluss vom 20. Februar 2020, S 25 AY 3/20 ER, BeckRS 2020, 3170, Rn. 24). Allein das Nichtausreisen ist dem Antragsteller ergo nicht vorzuwerfen. Insbesondere kann die Exekutive selbst durch Vollziehung der Abschiebung eine Ausreise erzwingen. Die hier erfolgte vollständige Kürzung des Barbedarfs sowie des Nahverkehrstickets kommt jedoch einer Sanktionsnorm gleich, um die Ausreise zu erzwingen (vgl. auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 1a AsylbLG [Stand: 23. März 2021], Rn. 209).''