| Unterbringung auf Landesebene Studie: Erfahrungen von Asylsuchenden in Unterkünften während der Corona-Pandemie
Pro Asyl veröffentlichte am 02.09.2021 die Studie "Bedeutet unser Leben nichts?" Erfahrungen von Asylsuchenden in Flüchtlingsunterkünften während der Corona-Pandemie in Deutschland.
Auszug aus dem Vorwort:
Wenn Schutzsuchende in Deutschland ankommen, haben sie erhebliche
Gefahren und Zumutungen hinter sich und tragen unverheilte physische
und psychische Wunden. Wären sie die europäischen Überlebenden
eines Unglücks – eines Flugzeugabsturzes, eines terroristischen Anschlags
oder einer Naturkatastrophe im Urlaubsgebiet man würde ihnen Mit-
gefühl entgegenbringen und einen Schutzraum zugestehen: Medizini-
sche Betreuung, psychologischen Beistand, Ruhe und Zeit, um die Dinge
zu verarbeiten
Einen solchen Schutzraum erhalten Geflüchtete in Deutschland nicht.
Sie werden in umzäunten Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, in
für mehrere hundert Menschen konzipierten Massenunterkünften, die
den ersten Eindruck und das beginnende Leben in Deutschland wesent-
lich prägen. In einigen Bundesländern sind sie als AnkER-Zentren (An-
kunft-Entscheidung-Rückführung) definiert, in denen die (potenzielle)
Abschiebung von Geflüchteten bereits mitgedacht, vorgeplant und voll-
zogen wird. Die Zeit, während der Geflüchtete in diesen und ähnlichen
Einrichtungen leben müssen, wurde in den letzten Jahren immer weiter
verlängert. Auch in den Kommunen erleben große Sammelunterkünfte
seit 2015 eine Renaissance.
Dr. Nikolai Huke hat mit Bewohner*innen vor allem von Erstaufnahme-
einrichtungen gesprochen. Die Interviews machen nachvollziehbar, wie
sich das alltägliche Leben dort gestaltet. Sie zeigen auf berührende Weise
die kleinen und großen Herausforderungen und Belastungen, von Lärm
und Enge bis hin zu gesellschaftlicher Isolation, Armut und verweigerter
medizinischer Hilfe, von alltäglichen Demütigungen bis hin zu Bedrohun-
gen und Gewalt. Dabei wird deutlich, dass das Leben in AnkERzentren
und ähnlichen Einrichtungen kein gutes Ankommen ermöglicht, sondern
im Gegenteil – der pure Stress ist. Menschen, die ohnehin schon schwer
belastet in Deutschland ankommen, werden in Verhältnisse verbracht,
die sie nicht stärken und ermutigen, sondern klein machen und unter-
versorgt lassen, abhängig von Sozialdienst und Verwaltung.