| Presseerklärungen des FRNRW Tag des Flüchtlings: Keine Isolation und Ausgrenzung von Geflüchteten in Lagern!
Bochum, 24.09.2018
Pressemitteilung 09/2018
Kampagne #NichtMeineLager startet
Zum bundesweiten Tag des Flüchtlings warnen PRO ASYL und die landesweiten Flüchtlingsräte vor Ausgrenzung und Isolation von Geflüchteten in Lagern, AnkER-Zentren und anderen Orten der Stigmatisierung und Entwürdigung.
In Großlagern wie den AnkER-Zentren kann es keine fairen Asylverfahren geben. Mit Isolation und Restriktionen wie etwa Residenzpflicht und Arbeitsverbot wird die Integration von Geflüchteten fast völlig unterbunden. Entrechtete und ihrer Integrationsperspektiven beraubte Schutzsuchende sind die Folge. Geplant sind unter anderem:
- Zwangsaufenthalt bis zu 18 Monaten in isolierten Großlagern von bis zu 1.500 Personen
- Statt fairer und gründlicher Überprüfung der Fluchtgründe: 48-Stunden-Verfahren und vorzeitige, zur Rückkehr drängende Beratungen
- Zugang zu AnwältInnen oder einer unabhängigen Asylverfahrensberatung wird verhindert
- Kaum Möglichkeiten gegen Bescheide zu klagen, der Rechtsweg wird versperrt
Die Landesregierung NRW hat im April 2018 einen „Asylstufenplan“ veröffentlicht, dessen Umsetzung durch Erlass vom 14.06.2018 konkretisiert wird. Vorgesehen ist unter anderem die Ausweitung der Unterbringung in „besonderen Einrichtungen“. Bereits 2015 wurden in NRW solche Schwerpunkteinrichtungen für Asylsuchende aus „sicheren Herkunftsstaaten“ geschaffen. In den besonderen Einrichtungen werden zu zwei Dritteln Personen aus dem beschleunigten Verfahren untergebracht. Diese Form der Schwerpunktunterbringung kommt einer Stigmatisierung der genannten Flüchtlingsgruppen gleich. Sie verbleiben grundsätzlich bis zum Abschluss des Asylverfahrens bzw. bei Ablehnung des Antrags bis zur Ausreise oder Abschiebung in der Einrichtung. Nun sollen zudem Personen aus einer Reihe weiterer Länder – z. B. aus den Maghreb-Staaten – unter bestimmten Umständen in besonderen Einrichtungen untergebracht werden. Der Aufenthalt kann in diesem Fall bis zu zwei Jahren dauern. Betroffen sind hier u. a. Folgeantragsteller und Personen die „Täuschungshandlungen verüben“ sowie im Dublin-Verfahren befindliche Personen. Asylsuchende, die nicht in besonderen Einrichtungen untergebracht sind, sollen im Regelfall 6 Monate, Familien 4 Monate in der Landesunterbringung verbleiben.
Die häufig abgelegene Lage der Landeseinrichtungen hat negative Auswirkungen auf die Teilhabechancen, da die Flüchtlinge nur erschwert die Infrastruktur der entfernt liegenden Städte und Gemeinden nutzen können. Zudem dürfen Asylsuchende nicht arbeiten, solange sie in Landeseinrichtungen untergebracht sind. Eine Schulpflicht besteht für Kinder und Jugendliche in den Landesunterkünften NRWs generell nicht, was fatale Folgen auf die Bildungsbiografien und die Integrationschancen Betroffener hat.
PRO ASYL startet mit Unterstützung der landesweiten Flüchtlingsräte und weiterer Organisationen zum Tag des Flüchtlings die Kampagne #NichtMeineLager. Die zentrale Forderung ist, die Politik der Inhaftierung und Festsetzung als Maßnahmen zur Abschreckung und Abwehr von Flüchtlingen zu beenden. Der Zugang zu Schutz und das Recht auf Asyl müssen gesichert sein.
Nicht nur die Bundesregierung, auch die EU setzt auf Lagermodelle. PRO ASYL befürchtet die systematische Verhinderung des Zugangs zum Asylrecht in der Europäischen Union. Hinter technokratisch klingenden Begriffen wie »Hotspots«, »kontrollierte Zentren«, »Ausschiffungsplattformen« etc. verbirgt sich der Versuch Europas, sich zunehmend aus dem Flüchtlingsschutz zu verabschieden.
Dies wird schon jetzt deutlich am Beispiel »Hotspots«: Schutzsuchende, die den griechischen EU-»Hotspot« Moria auf Lesbos erreichen, sitzen unter menschenunwürdigen Bedingungen fest. Ihnen droht die Abschiebung in die Türkei ohne jede Prüfung der Fluchtgründe. Die überfüllten Elendslager sind Blaupausen für weitere »Hotspots« an Europas Außengrenzen und die beim Europäischen Rat diskutierten sog. »kontrollierten Zentren«. Die Betroffenen sollen dort inhaftiert und von dort abgeschoben werden. Weder ein faires Verfahren noch effektiver Rechtsschutz werden in der Praxis garantiert sein.
Mit den Konzepten von »Ausschiffungsplattformen« will die EU die Verantwortung für Asylsuchende nach Nordafrika verlagern – denn Flüchtlingsschutz auf europäischem Boden soll am besten verhindert werden.
PRO ASYL und die landesweiten Flüchtlingsräte fordern daher, dass Flüchtlinge und Migrant*innen nicht entrechtet und in Lagern isoliert oder gar inhaftiert werden dürfen – ob in Deutschland, der Europäischen Union oder außerhalb der EU.
Alle Forderungen und Infos zur Kampagne gibt es unter www.nichtmeinelager.de
Pressekontakt: Birgit Naujoks, Tel. 0234 587315 60, info@frnrw.de
Die Pressemitteilung als PDF-Datei finden Sie hier.